Haarzell-Leukämie-Hilfe e.V.


HZL-Patient, 53 Jahre

Vor über 16 Jahren, Ende Juli 1987, überwies mich mein Hausarzt mit Blinddarmbeschwerden ins hiesige Krankenhaus. Vor und nach der Blinddarmentfernung wurden die routinemäßigen Blutuntersuchungen durchgeführt. Man teilte mir bald mit, dass etwas mit meinem Blut bzw. der Blutbildung nicht in Ordnung ist und dass man weitere Untersuchungen machen müsse. Die Milz wurde sonographisch untersucht, eine Sternalpunktion und eine Beckenkammbiopsie wurden durchgeführt. Durch diese Untersuchungen während des dreiwöchigen Krankenhausaufenthalts wurde Folgendes festgestellt:

Befund: Haarzell-Leukämie
HB-Wert: 12,8 - 14,2
Leukozyten: 2400 - 4100
Lymphozyten: 63% - 64%
Thrombozyten: 71000 - 110000
Milz: grenzwertig groß
Knochenmark: 5% Infiltrat im Untersuchungsmaterial


Die bei Verschlechterung der Werte in Aussicht gestellte Therapie lautete: Milzentnahme und Interferongaben !

Mein Hausarzt besorgte mir in einer Uni-Klinik einen Termin in der onkologischen Abteilung. Während der Wartezeit von ca. 2 Wochen bis zu diesem Termin hätte ich gern einen Ansprechpartner gehabt, der mir mehr über diese Erkrankung, über die Behandlungs- möglichkeiten und über die Lebenserwartung hätte sagen können. Mein Hausarzt konnte zur HZL keine Auskünfte geben, da ihm diese Erkrankung unbekannt war und Leukämie auch nicht sein Fachgebiet ist.

Ende September 1987 waren die Blutwerte, insbesondere die Thrombozyten ( 57000 ) so weit gesunken, dass man in der Uni-Klinik mit einer Interferontherapie begann. Gespritzt wurden 2 Mio. Einheiten Interferon Intron-A jeden 2. Tag. Um das Spritzen zu erlernen und zur Kontrolle evtl. Anfangsprobleme während der Therapie war ich eine Woche in der Uni-Klinik. Das Medikament Intron-A erhielt ich anfangs noch aus dem Forschungsfond, da es noch nicht in den Apotheken erhältlich war. Eine Milzentnahme war nicht erforderlich.

Nach ca. 3 Monaten Therapie waren die Leukozyten auf >4000 gestiegen, die neutrophilen - und lymphozytischen Leukozyten brauchten ca. 6 Monate um Normwerte zu erreichen und die Thrombozyten waren nach 8 Monaten wieder >150000. Nach ca. 1,5 Jahren wurde die Interferon-Dosis auf 2 Mio. Einheiten 2 mal in der Woche herabgesetzt. Nach weiteren 6 Monaten wurde die Dosierung auf 1 Mio. Einheiten 2 mal die Woche gesetzt und nach wiederum 6 Monaten, Ende März 1990, wurde die Therapie eingestellt, da alle Blutuntersuchungen Normwerte erbracht hatten und durch eine Beckenkammpunktion im Knochenmark keine Haarzellen nachgewiesen wurden. Eine Voll-Remission war erreicht.

Schon sehr schnell musste ich feststellen, dass die neutrophilen Leukozyten sanken und die lymphozytischen Leukozyten zunahmen. Nach ca. 8 Monaten war ein Verhältnis von <40% zu >50% erreicht und nach ca. 11 Monaten waren die Leukozyten und Thrombozyten nicht mehr im Normbereich. Zwei Beckenkammpunktionen und eine Sternalpunktion erbrachten keinen Nachweis von Haarzellen, da die Blutwerte jedoch schlechter wurden, fingen wir Ende 1991, nach 1 ¾ Jahren Interferonpause, wieder mit 2 Mio. Einheiten Intron-A dreimal die Woche an. Es dauerte ca. 7-8 Monate bis alle Blutwerte wieder im Normbereich waren. Nach drei Jahren wurde die Dosierung auf 1 Mio. Einheiten dreimal die Woche und nach wiederum einem Jahr auf 1 Mio. Einheiten zweimal die Woche herabgesetzt. Mit dieser Erhaltungstherapie bin ich von Ende 1995 bis Ende 1999 gut zurechtgekommen. Nebenwirkungen vom Interferon hatte ich über alle Jahre so gut wie keine.

In den ersten 5-6 Monaten im Jahr 2000 sanken die Leukozyten und die Thrombozyten. Ich wies den Arzt in der Uni-Klinik darauf hin. Da es allerdings Werte waren, die bei anderen Haarzell-Leukämie-Patienten nie höher sind, sah er keine Probleme. Eine individuellere Begutachtung der Situation wäre hier evtl. von Vorteil gewesen. Im Oktober 2000 hatte ich dann nur noch 2500 Leukozyten und 96000 Thrombozyten. Langsam, bald monatlich, wurden die Interferongaben erhöht. Von 3 Mio.- auf 4 Mio.-, 5 Mio.- bis auf 7 Mio.(ab März 2001) Einheiten die Woche. Die Frage, die sich stellte: Waren 2 Mio. Einheiten Interferon in der Woche als Erhaltungstherapie zu wenig gewesen oder wirkte das Interferon bei mir nicht mehr?

Vor einer in Aussicht gestellten 2CDA-Therapie entwickelte ich zunehmens Ängste. Da waren ja die Aussagen wie z. B. 2% Todesrate, die Halbierung der Remissionszeit bei mehrmaliger Anwendung ( wie oft kann diese Therapie überhaupt eingesetzt werden? ), die Berichte über relativ gute, aber auch über die schlechte Verträglichkeit und letztlich auch das Bewusstsein, dass auch diese Therapie keine Heilung, jedoch eine evtl. lange Remissionszeit verspricht. Eine 2CDA-Therapie lehnte ich also mehr und mehr ab, sie sollte für mich nur in Frage kommen, wenn es anders nicht mehr geht.

Zwischenzeitlich war ich von Intron-A Trockensubstanz auf Intron-A Pen Fertigmischung umgestiegen. Die Leukozyten sanken bis auf 1800, der HB-Wert bis auf 12,6 und es stellten sich durch das vermehrte Spritzen oder evtl. durch Substanzen im Pen, wie ich fälschlicher Weise zuerst annahm, diverse Nebenwirkungen ein. Diese waren: Kopfdruck, Schlappheit, Konzentrationsprobleme, Schwindel, anfallartige Unruhezustände, Reizbarkeit, schlechtes Reaktionsvermögen, unklare Wahrnehmung (müde Augen), Ängste, müde Beine, Geräuschempfindlichkeit, massive Schlafstörungen etc.. Ich war nicht in der Lage, meine täglichen Aufgaben zu erledigen, und für die Familie war ich auch ein "schwieriger Patient" geworden. Mein mich behandelnder Internist überwies mich zu einem Neuro- und Psychologen. Hier stellte man zu alle dem noch einen Ruhepuls von 100 Schlägen in der Minute fest. Ich war in eine Depression hineingerutscht, die auf jeden Fall mit Medikamenten behandelt werden musste. Gegen die Depression wurde ein Antidepressiva eingesetzt. Um den Puls zu drücken, gab es einen Beta-Blocker und um meine Ängste abzubauen, begann ich eine Gesprächstherapie.

Im Mai 2002, nach mehr als einem Jahr mit 7 Mio. Einheiten Interferon in der Woche, war eine Verbesserung des Blutbildes zu erkennen. Die Normwerte von Anfang des Jahres 2000 waren jedoch noch lange nicht erreicht. ( Leukozyten 2800, Thrombozyten 150.000, HB 13,3 ). Seit Ende April war auch meine gewohnte Energie und Schaffenskraft nahezu zurückgekehrt. Kurze Zeit sah es so aus, als würde das Mehr an Interferon helfen, bis im Juli 2002 als sich alle Werte ( Leukozyten 1900, Thrombozyten 88.000, HB 12,3 ) wieder verschlechtert hatten. Auch meine Milz war jetzt vergrößert. (ca. 12 cm x 5,5 cm x 6,8cm) Mehr und mehr sah es so aus, dass bei mir eine Interferon-Müdigkeit eingetreten war. Die Intron-A-Einheiten wurden ab Juli 2002 auf 4,5 Mio. in der Woche reduziert, um zu sehen, ob nicht ein zu Viel an Interferon eine Knochenmarksdepression ausgelöst hatte.

Mit den mich behandelnden Ärzten hatte ich im Oktober 2002 diskutiert, ob ein Präparatwechsel von Intron-A auf Roferon oder Peg-Intron ( alles Alpha-Interferone ) sinnvoll wäre um evtl. doch noch eine Verbesserung zu erreichen. Da dies ausgeschlossen wurde, blieb ich bei Intron-A. Die Meinungen zur weiteren Therapie in meinem Falle gingen bei den Fachleuten jetzt auseinander. Einer empfahl mir bald eine 2CDA-Therapie, um bei entsprechender Remmission für einige Zeit die Krankheit zu vergessen, ein anderer wollte mit dieser Therapie erst anfangen wenn es unbedingt erforderlich würde.

Da es mir im Herbst 2002 bis zum Frühjahr 2003 relativ gut ging, hatte ich mich zunächst für weitere Kontrollen des Blutes und der Milz entschieden.

Die letzten Befunde von Anfang Mai 2003 waren:

HB-Wert: 10,5
Leukozyten: 2000
Lymphozyten: bis 60%
Thrombozyten: 59000
Milz: 19 cm lang, 10 cm dick
Knochenmark: 30% Infiltrat im Untersuchungsmaterial (Stand Sept. 2003)


Die gesunkenen Thrombozyten und die große Milz waren nun ausschlaggebend dafür, bald mit der empfohlenen 2CDA-Therapie zu beginnen. Obwohl ich oft müde und antriebslos war, ging ich weiter arbeiten, trieb wie bisher ein wenig Sport und versuchte, dem Leben die positiven Seiten abzugewinnen, was mir nicht leicht fiel.

Mitte Juni 2003 begann ich in der Uni-Klinik dann mit der 2CDA- ( Cladribin ) Therapie. Es war je eine Infusion 2CDA ( 0,14 mg /kg/d ) pro Tag die jeweils ca. 2 Stunden dauerte und an fünf aufeinanderfolgenden Tagen verabreicht wurde. An den beiden ersten Tagen der Behandlung war ich sehr unruhig und konnte nachts kaum schlafen, auch war ich für einige Tage schlapp und müde. Diese Symptome konnten evtl. teilweise auch auf meine nervliche Anspannung zurückzu-führen sein. Nebenwirkungen waren lediglich vom 4. auf den 5. Tag nach der Therapie Fieber von 38° - 38,5° und in der zweiten Woche danach einmal ein Schüttelfrost mit kräftigem Schweißausbruch.
Wegen der Infektionsgefahr durch das schlechte Blutbild nach der Behandlung wagte ich mich zuerst kaum aus dem Haus und empfing auch keinen Besuch. Als meine Tochter jedoch eine Erkältung mit Fieber bekam, entschoss ich mich ab der 5. Woche nach der Behandlung wieder arbeiten zu gehen, denn im Einzelbüro war die Infektionsgefahr jetzt sicherlich nicht größer als zu Hause und auf andere Gedanken kommt man da auch.

In der Uni-Klinik wurde mir nach ca. 2 Monaten ein 2. Zyklus 2CDA angeboten, obwohl eine wesendliche Verbesserung des Blutbildes zu erkennen war. Nach Rücksprache mit der Deutschen-Leukämie-Hilfe, der Pharma-Industrie und dem HZL-Verein lehnte ich die empfohlene zweite Behandlung ab. Diese ist selbst dann nicht unbedingt erforderlich, wenn noch Haarzellen im Blut und Knochenmark nachgewiesen werden, sich das Blutbild jedoch entsprechend erholt hat. Außerdem wirkt das Medikament noch 4 - 6 Monate nach und diese Zeit war für eine Beurteilung des Behandlungserfolges noch lange nicht um.

Nun noch eine Aufstellung über einige meiner Blutwerte nach der Therapie mit 2CDA:

nach d. Behandlg. Leukozyten Thrombozyten HB Lymphozyten
         
1. Woche 510 43.000 10,0 16,4%
4. - 5. Woche 1500 130.000 11,5 20,0%
2. Monat 3200 139.000 13,9 12,1%
3. Monat 3900 140.000 13,9 12,3
5. Monat 3300 140.000 15,6 15,5%
8. Monat 4600 166.000 15,5 20,6%
9. Monat 4020 153.000 16,2 19,7%


Die Milz bildete sich während dieser Zeit komplett zurück und ist jetzt 10,3 cm lang und 4,2 cm dick.

Nun hoffe ich, für einige Jahre Ruhe vor meiner Haarzell-Leukämie zu haben. Jetzt werden nur noch die regelmäßigen Blutbildkontrollen alle zwei bis drei Monate und die Kontrolle der Milzgröße alle sechs Monate durchgeführt. Mir geht es gut und ich führe wieder ein ganz normales Leben.

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