Haarzell-Leukämie-Hilfe e.V.


HZL-Patient, 37 Jahre

Ich bin 37 Jahre alt, und arbeite seit 16 Jahren als Krankenpfleger. Zurzeit bin ich im operativen Bereich tätig. Tumoroperationen sind bei uns Routine. Es gehört zum "Tagesgeschäft". Das es einen selbst betreffen kann wird ignoriert.

Seit ca. 3- 4 Monaten hatte ich Schmerzen im linken Brustkorb, war schnell erschöpft und hatte schon bei kleineren körperlichen Arbeiten Schweißausbrüche und Atemnot. Ich habe diese Symptome auf einen kleinen "Trainingsrückstand" geschoben, da ich die letzten Jahre so gut wie keinen Sport gemacht habe.

Am 11.03.2005 waren dann die Beschwerden so stark, dass ich während der Arbeitszeit die Notaufnahme aufsuchte, um meine "Herzbeschwerden" abzuklären. Es wurde ein EKG und Herzecho gemacht, alles in Ordnung. Zusätzlich wurde noch Blut abgenommen, dies gehört zur Routineuntersuchung dazu. Die Herzenzyme waren vollkommen in Ordnung. Es fiel aber als Zufallsbefund ein stark verschobenes Blutbild auf, Leukozyten 2,05/nl Thrombozyten 110/nl HB 13,1g/dl und ein sehr hoher Prozentsatz an nicht erkennbaren Zellen. Da ich mich als Krankenpfleger doch ein wenig auskenne war ich schon zu diesem Zeitpunkt sehr beunruhigt. Die Ärzte meinten aber ich solle mich mal ein wenig schonen, da es wahrscheinlich eine Virusinfektion sei. Eine Kontrolluntersuchung in 2 Wochen beim Hausarzt würde dies wahrscheinlich bestätigen.

Nach 2 Wochen ging ich zum Internisten, um die Blutwerte zu kontrollieren. Das Ergebnis war noch schlechter geworden, eine Sonographie ergab, dass die Milz stark vergrößert (15,2 x 8,5 cm) war. Anhand dieser Werte veranlasste der Arzt eine Durchflußzytometrie zur genaueren Bestimmung der Leukozyten. Mein Internist sagte, dass es sich wohl um eine Knochenmarkschädigung handeln würde, die viele Ursachen haben könnte, nach einer "bösartigen Erkrankung" sehe es wohl nicht aus.

Es begann eine lange Woche des Wartens. Ich habe all meine Fachliteratur und das Internet durchforstet. Bei dem Suchbegriff der Durchflußzytometrie, stieß ich das erste mal auf den Begriff "Haarzell-Leukämie". Aber das konnte es ja nicht sein, ich und "Krebs". Ich bin ein junger Mann, der sich mit seiner Familie gerade ein kleines Häuschen gekauft hat und in vier Wochen umzieht. Ein Mann, der jahrelang auf einer internen Abteilung gearbeitet hat, viele Tumorpatienten betreut hat und sich immer gesagt hat hoffentlich trifft mich dies nicht, nicht in so einer entscheidenden Phase unseres Familienlebens.

Am 19. April 2005 hatte ich den Termin beim Internisten, die Blutwerte (Durchflußzytometrie) waren da. Ich war sehr nervös im Wartezimmer, hoffte aber immer noch es würde sich irgendwie mit einer Infektion oder ähnlichen aufklären.

Der Arzt sagte, es wurden Haarzellen im Blut gefunden, es handelt sich um eine seltene Leukämieform. Er wollte noch weiter erklären, doch bei mir schossen sofort die Gedanken: "Blutkrebs - Chemotherapie - schlechte Heilungschancen - was wird aus unserem Haus - was aus meiner Familie - durch den Kopf.

Bereits einen Tag später hatte ich einen Termin in der Onkologischen Ambulanz der Uniklinik Regensburg zur Knochenmarkentnahme. Der Verdacht hatte sich bestätigt, ich habe Haarzell-Leukämie. Die Knochenmarksinfiltration lag bei 80 %.

Am Montag den 25. April wurde ich in der Onkologie stationär aufgenommen. Nach einem ausführlichen Gespräch und verschiedenen Voruntersuchungen sollte bereits am nächsten Tag die Chemotherapie mit Cladribin beginnen.

Dieses Zytostatikum ist noch nicht sehr lange in Deutschland zugelassen, hat aber sehr gute Heilungschancen (man spricht von einer Remission bis zu 80%) und soll sehr gut verträglich sein. Der Therapieverlauf war folgendermaßen:

5 Tage nacheinander eine Cladribin-Infusion über 3 Stunden. Begleitend wurde prophylaktisch eine Antibiotikatherapie begonnen.
Am Dienstag den 26. April bekam ich die erste Chemotherapie. Wie geplant war ich nach 5 Tagen am Samstag mit der Infusionstherapie fertig. Die Nebenwirkungen während der 5 Tage waren Müdigkeit, leichter Schwindel bis zu 2-3Stunden nach der Therapie. Ansonsten habe ich es sehr gut vertragen.

Am 3.Tag der Chemotherapie wurde eine Umkehrisolation für mich angeordnet, da die Werte stark sanken und die Infektionsgefahr dadurch sehr groß war. Die Umkehrisolation dauerte bis zum 11.Mai, einen Tag vor meiner Entlassung.

Am Sonntag den 01.Mai, der erste Tag nach der Chemo, waren die Leuko`s 0,63/nl Thrombo`s 94/nl HB 12,6g/dl.
An diesem Tag hatte ich mittags keinen Appetit, ich bekam Fieber bis 38,5 C. Am Abend wurde dann mit Antibiotika i.V. begonnen.
Ich hatte die ganze Woche über abends Temperaturen von 38,5C - 39,0 C, tagsüber war ich meist fieberfrei. Als weitere Nebenwirkungen waren in dieser ersten Woche nach der Therapie Kopfschmerzen. Das Fieber hielt bis zum 8.Tag nach der Chemo an. Die Tiefstwerte lagen in diesem Zeitraum bei Leuko`s 0.44/nl Thrombo`s 77/nl und HB 10.2g/dl
Der CRP -Wert stieg bis auf über 100mg/l an. Es war aber kein Infektionsherd zu erkennen.
Eine Woche nach der Chemo am Samstag, den 07.05.2005 waren die Leuko`s 0.60/nl Thrombo`s 116/nl HB 10.27g/dl
Am Tag der Entlassung, am 12. Mai waren die Leuko`s 1.49/nl / Thrombo`s 201/nl und das HB 10.9g/dl die Neutrophilen Granulozyten betrugen 56.9 %.
Der CRP Wert lag immer noch bei über 50 mg/l.
Nach 18 Tagen stationärem Aufenthalt wurde ich nach Hause entlassen.
Es wurde ein Termin in der Onkologischen Tagesklinik für den 06. Juni vereinbart, um erneut eine Knochenmarksbiopsie vorzunehmen. Dies würde die Gewissheit bringen, ob die Therapie angesprochen hat.

Ich war mir sicher, die Krankheit besiegt zu haben. Es waren aber immer noch 20% Haarzellen nachweisbar. Mir wurde eine ambulante Chemotherapie empfohlen, mit der Hoffnung die Haarzellen weiter zu reduzieren.

Am 05. Juli begann ich die ambulante Therapie mit Cladribin. 1 Infusion pro Woche über 6 Wochen. Ich habe auch diese Therapie sehr gut vertragen. Noch besser als bei dem stationären Aufenthalt. Kein Fieber, keine Entzündungszeichen. Ist wohl auch auf die häusliche Umgebung zurückzuführen. Die Werte hielten sich immer im unteren Normbereich. Der 9. August war der letzte Tag der Chemo, und es begann wieder eine Zeit der Ungewissheit bis zur Beckenstanze. Nach weiteren 6 Wochen wurde die Beckenstanze durchgeführt. Das Ergebnis bekam ich am 11. Oktober, 5 Tage vor meinen 38.Geburtstag. "Es liegt kein Anhalt für Malignität vor", es wurden keine Haarzellen gefunden. "Ich habe die Krankheit besiegt"!!!

Meinen darauf folgenden Geburtstag habe ich mit allen meinen Freunden gefeiert, die mir und meiner Familie über die gesamte Zeit zu Hilfe standen. Es war viel passiert in den letzten 6 Monaten.
Ich möchte mich hier noch mal bei allen bedanken, die in der Zeit für mich und meine Familie da waren und uns unterstützt haben.

Bereits 3 Wochen später habe ich meine Tätigkeit als OP-Pfleger wieder aufgenommen. Nach einer kurzen "Eingewöhnungsphase" war ich wieder voll im Berufsleben integriert.
Jetzt muss ich vierteljährlich zur Nachsorge, meine Blutwerte befinden sich seitdem immer im Normbereich, die Milz ist normal groß.

Mit diesem Erfahrungsbericht möchte ich allen Mut und Hoffnung geben, die am "Anfang" dieser Erkrankung stehen und sich hier in diesem Forum über die HZL informieren. Mir persönlich haben die Erfahrungsberichte sehr viel geholfen, die ersten Ängste zu überwinden und eine positive Einstellung zu der mir bevorstehenden Zeit zu bekommen.

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