Haarzell-Leukämie-Hilfe e.V.


Fragen an Herrn Dr. Rummel 2005

-Ich habe vor 3 Wochen die letzte Rituximab-Infusion bekommen. Die ersten beiden sind mir überhaupt nicht bekommen. Ich hatte Schüttelfrost und am Abend in der Notaufnahme noch 7000 Thrombozyten, im Krankenhaus hat aber alles geklappt. Ich habe die Unterlagen darüber und kann veranlassen, dass Sie alle Berichte von der Ärztin bekommen. Für die Teilnahme an der Studie ist es ja wohl zu spät.

+Oft landen unsere Studienprotokolle bei den Ärzten, diese behandeln genau danach, aber die Patienten werden nicht so regelmäßig in der Studie angemeldet, das sind dann die retrospektiven (nachträglichen) Analysen. Man möchte in der Forschung vermeiden, dass man im nachhinein die Fälle geschildert bekommt. Nur, falls der Fall am Ende nach Monaten gut verläuft, dann wird das stolz berichtet. Aber wenn der Patient viele Nebenwirkungen hat, wird nicht berichtet. Ich bin aber sehr interessiert, weil man sowieso alle Patienten mit dieser Kombination irgendwo sammeln sollte.

-Ich werde die Unterlagen besorgen. Vor dieser Behandlung hatte ich schon zwei mal Leustatin (2CdA) mit Rezidiv und danach Interferon, das habe ich nach 6 Monaten abgebrochen und habe nach einer Pause dieser Kombi-Therapie zugestimmt.

+Es ist ja wichtig für die Zukunft der nächsten Patientengeneration, vielleicht auch für einige unter Ihnen, dass man das auswertet. Denn MabThera/Rituximab ist ja für HZL nicht zugelassen. Als Arzt mit einer ängstlichen Grundeinstellung kann man z. B. Regressansprüche der Krankenkasse befürchten. Deshalb ist es so wichtig, dass man solche Studien macht, man kann dann sagen: Das haben 20 Patienten bekommen, und es hat zu einem bestimmten Erfolg geführt. So kann man gegenüber der Krankenkasse argumentieren. Deshalb sind wir interessiert und dankbar, wenn wir solche Fälle gemeldet bekommen, auch nachträglich.

-Ich hätte vor 14 Tagen nicht geglaubt, dass ich hierher fahren könnte, aber es geht gut, mit gewissen Schwierigkeiten. Aber ich möchte erreichen, dass ich wieder so leben kann, wie vorher, das ist auch notwendig, dass Sie das wissen. Ich habe erst später erfahren, an den Blutwerten, wie schlecht es mir in jener Nacht gegangen ist. Das sollte man klären, aber niemanden Angst machen, nur-, es geht nicht immer geradeaus.

+Ja, man muss nicht Angst machen, man darf aber auch nicht verharmlosen. Das Rituximab ist halt, wie ich schon sagte, bei HZL-Patienten mit mehr Nebenwirkungen verbunden als bei anderen Lymphomen. Wir machen uns in Frankfurt aus Erfahrung Gedanken und kamen so zu dieser Kombinationstherapie. Und dann sind wir natürlich am Ergebnis sehr interessiert. Deshalb wollen wir solche Fälle auch dokumentieren. Wenn Sie nun schon zweimal Leustatin haben und nach der Remissionsdauer bekommen Sie jetzt beim 3. Mal die Kombination, dann weiß man in 3-5 Jahren: ich habe immer noch keinen Rückfall. So sieht man, dass die Kombination der beiden Therapien in schwierigen Fällen viel sinnvoller ist. Diese Geduld braucht man in der Forschung.

-Eine Frage zur minimalen Resterkrankung. Die vorhandenen Haarzellen sind doch möglicherweise nicht gleichmäßig im Knochenmark verteilt. Ist es nicht schwierig die wenigen Haarzellen zu finden?

+Bei der Knochenmarkpunktion sind 2 Sachen zu berücksichtigen. Es gelingt nicht immer, flüssiges Knochenmark bei HZL-Patienten herauszuziehen, weil, bedingt durch die HZL, eine Knochenmarkfibrose vorliegt. In diesem Fall kann die erwähnte Untersuchung nicht durchgeführt werden, denn man benötigt Knochenmarkblut. Häufig gelingt die Untersuchung aber nach der Therapie. Die Knochenmarkuntersuchung besteht ja immer aus 2 Teilen. Man sticht mit der Hohlnadel ins Knochenmark und zieht unter Vakuum das Knochenmarkblut heraus. Geht man mit der Nadel noch weiter rein, kann man das feste Knochenmarkstückchen herausziehen. Die Durchflusszytometrie lässt sich nur mit Flüssigem durchführen. Mit Venenblut geht es auch. Wenn Sie diesen Ausstrich unter dem Mikroskop anschauen, das ist ein Blutdifferentialabstrich, so finden Sie keine Haarzellen, bei der Durchflusszytometrie sind sie da, diese Methode ist wesentlich genauer.

-Nach einer 2CdA-Behandlung vor 5 Jahren mit Vollremission besteht immer noch ein Immundefekt, es sind nur 200 Helferzellen da. Können diese noch ansteigen? Wenn nicht, was würde man im Fall eines Rezidivs geben, wäre eine weitere 2CdA-Therapie möglich?

+Alle Therapien haben Vor- und Nachteile. Einer der Nachteile bei 2CdA ist die CD4-Erniedrigung, lt. Lehrbuch sollte das nach einigen Jahren ausgeglichen sein. Wichtig ist, dass der Patient diese Schwäche kennt und bei Fieber und Lungenentzündung darauf hinweist. Vielleicht sollte man als Prophylaxe 3 x pro Woche Cotrim forte nehmen. Das hilft relativ zuverlässig vor der einen gefürchteten Komplikation, dieser sehr selten auftretenden Lungenentzündung, die im Gefolge von niedrigen CD4-Zellen auftreten kann, aber nicht muss. Und was macht man, wenn die Erkrankung zurückkommen sollte? Nach 2CdA müsste man damit rechnen, dass die CD4-Zellen auf 50 oder 40 fallen. Je niedriger sie fallen, desto höher ist das Risiko für diese seltene Lungenentzündung, umso dringender ist eine Prophylaxe. Das Interferon macht auch Immundefekte, auch Nebenwirkungen. Auch das MabThera, es klingt alles ganz einwandfrei und genial, es können aber auch beträchtliche Nebenwirkungen auftreten. Aber andererseits, nach 5 Jahren Remission ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass die Remission 10, 15 oder 20 Jahre dauert.

-Nach der Diagnose HZL im Oktober 2004 waren mein Hämatologe und der Arzt in der Klinik der Meinung, dass für mich nur die 7-Tage-Dauerinfusion mit 2CdA in Frage käme. Jetzt, nach Ihrem Vortrag, frage ich mich, ob diese Ärzte überhaupt die nötige Erfahrung mit HZL haben, um Patienten zu behandeln.

+Es gibt Ärzte, die kaum Erfahrung mit HZL haben, sie machen das Lehrbuch auf, damit sind sie auf der sicheren Seite. Die 7-Tage-Infusion ist für den Patienten unkomfortabel. Es gibt ja diese Studie für Litak als 5-Tage-Therapie subkutan, die durch ein großes Expertengremium gegangen ist und 2004 für ganz Europa von der EMEA zugelassen wurde. Ein Arzt mit wenig Erfahrung könnte im Internet unter Pubmed den Begriff HZL+Therapie eingeben oder könnte einen Kollegen dieser speziellen Fachrichtung anrufen, das macht man einfach.

-Ich habe 2 mal 2CdA und danach 2 Jahre Interferon bekommen, das ich nicht vertragen habe. Die 2. 2CdA-Therapie wurde als Subkutan-Variante gegeben, d.h. über 7 Monate je eine Spritze. Das habe ich sehr gut vertragen. Nun sind meine Leukozyten in den vergangenen Jahren von 2000 auf 1300 gesunken, die Thrombozyten bewegen sich noch über 100.000. Wenn jetzt eine Wiederholungstherapie ansteht, was kann ich bekommen? Interferon vertrage ich nicht.

+In Ihrem Krankheitsverlauf würde ich die Kombination von 2CdA und Rituximab ernsthaft in Erwägung ziehen. Und falls die Leukozyten immer weiter fallen, muss man irgendwann im Knochenmark nachsehen. Liegt als Späteffekt-Nebenwirkung der 2-maligen 2CdA-Therapien eine Knochenmarksschädigung vor oder fallen die Leukozyten -was wahrscheinlicher ist- weil sich die HZL zurückmeldet. Wenn das der Fall ist, sollte man die Therapie mit 2Cda+Rituximab diskutieren. Ich würde eine weitere alleinige 2CdA-Behandlung nicht geben, weil man weiß, dass mit jedem Mal die Dauer der Wirksamkeit etwas kürzer wird.

-Gibt es Erfahrungswerte, welche Nebenwirkungen nach der 2CdA-Behandlung auftreten können?

+Das Wichtigste und Schwierigste ist das Fieber, weil man bei Fieber der Chemotherapie-Patienten immer an eine lebensbedrohliche Infektion denkt. Nach einer Chemo ist das Immunsystem noch zusätzlich zur Erkrankung an sich geschwächt. Das Risiko einer Infektion ist höher, die Dauer ist unterschiedlich. Die Hälfte der HZL-Patienten entwickelt Fieber nach 2CdA, in den meisten Fällen handelt es sich aber um "Medikamentenfieber", es muss aber genau untersucht werden. Ansonsten ist die 2CdA-Behandlung gut verträglich, Übelkeit, Erbrechen, Haarausfall kommen praktisch nicht vor.

-Wie ist die Immunabwehr nach der 2CdA-Therapie und wie hoch ist das Risiko, eine weitere Krebserkrankung zu bekommen?

+Direkt, nach der 2CdA-Behandlung haben Sie eine schlechtere Immunabwehr, wenn die Behandlung zum Erfolg führt, ist danach Ihre Immunabwehr besser. Bezüglich des karzinogenen Risikos einer Chemotherapie: Bei jeder Chemotherapie oder Strahlentherapie setzen Sie nicht nur einen Schaden gegen die Erkrankung, sondern auch einen Schaden gegen das gesunde Körpersystem und möglicherweise induzieren Sie damit eine 2. Krebserkrankung. Das wurde in Amerika in großen Studien untersucht. Nach 2CdA und Pentostatin ist das Risiko, eine 2. Krebserkrankung zu bekommen um 1,2 - 1,5 mal höher als bei der Normalbevölkerung.

-Kann es Sinn machen, mit Litak zu behandeln? Ich habe im Herbst 12 Kurse Pentostatin bekommen und bin mit 80% Infiltration aus dieser Behandlung herausgegangen, habe dann 1 ½ Jahre Roferon gespritzt, 3x3 Mio/Woche, musste aber abbrechen wegen psychischer Probleme. Danach hatte ich 1 Jahr gute Blutwerte, Haarzellen waren nicht mehr zu sehen, aber nach 1 Jahr waren sie wieder da, und die Blutwerte sackten ab. Ich hatte dann noch 51.000 Thrombozyten und 1.600 Leukozyten und wurde mit PegIntron behandelt. Mein Arzt setzt es jetzt ab und will im Sommer mit Litak beginnen. Macht das einen Sinn?

+Sie haben also auf Pentostatin nicht gut angesprochen. Wenn das der Fall ist, würde es keinen Sinn machen, mit Litak allein zu behandeln, dann würde ich Litak und MabThera zusammen empfehlen.

-Ein weiteres Problem: MabThera wurde bei der Krankenkasse beantragt, ist aber abgelehnt worden, ich würde das nur noch in Studien bezahlt bekommen, sagte man mir. Ich habe die Unterlagen hier...

+Die Krankenkasse ist nicht Experte, sie hält sich an die Gesetzesvorlagen, der Mitarbeiter schaut in sein Buch: MabThera ist für HZL nicht zugelassen, also wird es nicht gegeben. Die Hämatologen/Onkologen haben aber große therapeutische Freiheiten, die sie nutzen können zugunsten des Patienten. Aber ein Praxisarzt, der auch wirtschaftlich denken muss, hat große Sorgen, wenn er Ärger mit der Krankenkasse bekommt. Die Firma Roche wird nie die Zulassung von MabThera für HZL beantragen, das kostet ca. 5 Millionen, es ist aber für die anderen Non-Hodgkin-Lymphome zugelassen. Und die Zulassung würde Jahre dauern. Außerdem kann eine Pharmafirma, die wirtschaftlich handeln muss, damit nicht genug Geld verdienen.
Da kann ich also raten: Setzen Sie sich ins Auto und fahren Sie in ein großes Krankenhaus, das kann sich die Behandlung erlauben...

-Ich hatte 1996 zweimal 2CdA, im letzten Jahr ist ein bösartiges Prostatakarzinom festgestellt worden. Im vorigen Jahr, die Leukozyten waren auf 1.800, bin ich das dritte Mal mit 2CdA behandelt worden. Mein jetziger Stand: Leukos 2.800, Thrombos 333.000. Kann ich noch eine dritte Krebserkrankung bekommen?

+Ich kenne Patienten, die schon 5 Krebserkrankungen hatten, zum Glück waren alle operabel. Das Prostatakarzinom ist natürlich eine der häufigsten Erkrankungen im höheren Lebensalter des Mannes. Der eigene Körper trägt also die Disposition in sich, dass bösartige Erkrankungen entstehen können. Das Immunsystem soll ja bösartige Zellen frühzeitig erkennen und eliminieren. Hier liegt ein anderer Defekt im Immunsystem vor.

-Eine Frage zur Leustatin-Behandlung: Sie haben von Litak über 5 Tage subkutan gesprochen. Eine Patientin hier erzählte von einer anderen Form, nämlich über 7 Monate je 1 Spritze pro Monat. Haben Sie damit auch Erfahrung?

+Nein, das habe ich nicht. Das sind dann Hypothesen von Kollegen, die auf diese Weise vielleicht die Nebenwirkungen ausgleichen wollen. Aber riskiert man damit evtl. Wirksamkeitsverlust? Das weiß man nicht. Deshalb ist es wichtig, Studien zu machen. Aus einzelnen Fallbeschreibungen können wir keine grundsätzlichen Schlüsse ziehen.

zurück zum Bericht

 

©  Haarzell-Leukämie-Hilfe e.V.